Das Erbbaurecht – alles meins? Mitnichten!
Nutzen Sie auch den Wahlomat, um bei einer anstehenden Wahl Ihre Überzeugungen mit Parteiprogrammen abzugleichen? Ich mache das gerne und staunte nicht schlecht, als jetzt bei der letzten Kommunalwahl meine Meinung zum Erbbaurecht gefragt wurde.
Das Erbbaurecht – ein unterschätztes Thema.
Ein Grund mehr, dass Maklerin darüber bloggt. Bevor Sie jetzt aber schon wegklicken wollen, denn das Leben ist bekanntermaßen zu kurz für langweiligen Kram, geben Sie mir bitte eine Chance. Ich werde mein möglichstes Tun, Sie nicht mit juristischem Bla Bla zu langweilen.
Das Erbbaurecht (auch umgangssprachlich und juristisch nicht korrekt Erbpacht genannt) ist ein besonderes Zwitterwesen: es kommt wie ein fader Kompromiss daher, weder Fisch noch Fleisch, aber es hat seine Berechtigung. Dazu benötigt es aber die richtige Einstellung oder wie man neudeutsch auch sagt „Mindset“.
Alles meins – mitnichten
Ein Beispiel: Wenn Sie morgens nach dem Aufstehen auf Ihrer Terrasse oder Balkon stehen und mit dem Kaffeebecher in der Hand laut ausrufen: „Seht her, alles meins“, dann stimmt das nur zum Teil. Das Haus (zudem die Terrasse und der Balkon gehören), die gehören Ihnen, aber der Grund und Boden, auf dem Ihr Haus steht, gehört Ihnen nicht. Noch besser: Sie zahlen, dass Sie es benutzen dürfen und das für eine lange Zeit, meistens 99 Jahre.
Wenn Sie sich auf ein Grundstück mit Erbbaurecht einlassen, müssen Sie sich von der Vorstellung frei machen, dass Ihnen „alles gehört“. Darin liegt für einige schon der Knackpunkt, aber eben auch die Chance. Denn Erbpacht (ja, ich benutze jetzt den formal unkorrekten Ausdruck), ist für Menschen geeignet, deren finanziellen Mittel begrenzt sind und sich nur ein Haus leisten können… ohne Grundstück. Bei immer weiter steigenden Grundstückspreisen ist das ein nicht unerheblicher Faktor.
Setzen Sie jetzt gedanklich Ihren „Ich-brauche-nicht-das-Gefühl-von-mir-gehört-alles“ Hut auf und wir gehen zum nächsten Schritt, um das Erbbaurecht zu verstehen.
Wie entsteht der Erbbauzins?
Der Erbbauzins beträgt in der Regel vier bis sechs Prozent des Grundstückswertes jährlich, wobei die Summe monatlich, quartalsmäßig oder jährlich gezahlt werden kann – wie eine Miete (oder Pacht) für die langjährige Nutzung. Im Gegensatz zum klassischen Hypothekendarlehen, dessen Rückzahlung immer gleichbleibt und in der Regel nach einer überschaubaren Zeit/Jahren abbezahlt ist, steigt der Erbbauzins im Laufe der Jahre an. Darin liegt aber auch die Krux: sollte im Alter durch geringe Rente oder Wegfall von Einkommen das Geld knapp werden, ist ein hoher Erbpachtzins vielleicht nicht mehr zu stemmen.
99 Jahre Erbpacht – Sie haben die Wahl!
Sie können die Länge der Erbpacht wählen, denn die genaue Dauer ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Man sollte einen möglichst langen Zeitraum wählen, was dann aber wieder zu einem höheren Erbpachtzins führt. 80 Jahre ist ein guter Wert, denn dann läuft die Erbpacht nicht zu Ihren Lebzeiten aus.
Wem gehört eigentlich das Grundstück?
Das ist schnell beantwortet: dem Erbbaurechtgeber und das kann entweder eine Privatperson oder eine Institution wie eine Kirche oder eine Stiftung sein. Für Kirchen ist es häufig der einzige Weg Grundstücke wirtschaftlich angemessen zu nutzen, da ihnen auf Grund des kanonisches Rechts z.B. ein Verkauf untersagt ist.
Der Erbbaurechtsgeber bleibt die ganze Zeit Eigentümer des Grundstücks und das kann unter Umständen auch zu Streit führen, etwa, wenn der Erbbaurechtsgeber sich ein Mitspracherecht an Veränderungen, etwa An- oder Umbauten, oder bei einer Hypothekenbelastung gesichert hat. Auch wenn der Hauseigentümer sein Erbbaurecht verkaufen möchte, hat der Erbbaurechtsnehmer ein Mitspracherecht.
Was beinhaltet der Erbpachtvertrag:
- Die Dauer der Erbpacht
- Die Art der Bebauung (Reihenhaus, Einfamilienhaus, Garagen) in Abstimmung eines bestehenden Bebauungsplan einer Gemeinde oder Stadt
- Das Erbbaurecht wird in ein eigenes Grundbuch eingetragen, das sogenannte Erbbaugrundbuch
- Verankert ist eine Wertsicherungsklausel, sie legt fest, an welchen Preisindex der Erbbaurechtszins angepasst wird – meist dem aktuellen Verbraucherpreis-Index des Statistischen Bundesamtes. Die Anpassung erfolgt in der Regel alle fünf Jahre, ist aber auch alle drei Jahre möglich
- Der Erbpachtgeber bekommt ein Vorkaufsrecht eingeräumt, falls der Erbpachtnehmer sein Haus verkaufen möchte. Es sollte aber geregelt werden, dass der Kaufpreis marktüblich ist
- Mein Tipp: sichern Sie sich ein Vorkaufsrecht auf das Grundstück, falls der Erbpachtgeber dieses veräußern möchte, gesetzlich steht Ihnen das nämlich nicht zu. Lassen Sie sich aber nicht zu einem Ankauf verpflichten.
Vertragsende oder Heimfall
Während der Vertragslaufzeit können beide Parteien den Vertrag NICHT kündigen, wohl aber vorzeitig aufheben. Ein besonderer Fall ist der sogenannte „Heimfall“, der besagt, dass der Eigentümer die Rückübertragung verlangen kann, wenn der Nutzer das Grundstück innerhalb einer bestimmten Frist nicht bebaut, über längere Zeit mit seinen Zinszahlungen im Rückstand ist oder gegen andere Verpflichtungen aus dem Vertrag verstößt.
Das sind dann die Fälle, von denen man in der Zeitung liest: jemand verliert z.B. sein Elternhaus, weil massive Störungen das Vertragsverhältnis belastet haben und der Erbbaugeber diesen Schritt geht. Bein aller Empörung, die einen bei solchen Geschichten überkommt, darf man nicht vergessen: das Grundstück gehört Ihnen nicht, Sie bezahlen für die Nutzung.
Was passiert mit Ihrem Haus bei Vertragsende oder Heimfall?
Endet der Vertrag oder wird er im Falle eines Heimfalls vorzeitig gekündigt, erhält der Erbbaurechtsnehmer für das Haus eine Entschädigung. Gesetzlich festgelegt sind zwei Drittel des Verkehrswerts der Immobilie. Um Streit zu vermeiden, sollte schon bei Vertragsabschluss festgelegt werden, nach welchen Kriterien sich der Wert des Hauses zu diesem Zeitpunkt errechnen soll. Möglich ist ein Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen oder eines Gutachterausschusses. Darin fließt auch der Wert der Restlaufzeit des Erbbaurechts mit ein. Höhe oder Berechnungsgrundlagen und Zahlungsmodalitäten sollten Sie mit dem Erbbaurechtsgeber schon bei Vertragsabschluss klären.
Ein Fazit – alles auf einen Blick
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Ihre Kerstin Keil
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